Geschichte des Vereins

Nach dem zweiten Weltkrieg sanierte man das geschundene Hamburg radikal. Schnell riss man Häuser ab, ohne zu überlegen, ob sie eventuell historisch interessant sein könnten. So erging es auch der Deichstraße. Er herrschte die Meinung vor, dass die Glanzzeit dieser Straße vorbei war.

 Die für die Deichstraße folgenreichsten Beschlüsse waren der Durchführungsplan D 161 von 1957 und der 1960 erstellte Aufbauplan. Sie beschlossen den Bau der Ost-West-Straße, die wie eine Grenze die Stadt durchschneidet. Zudem war geplant, die Hafenrandstraßen vom Dovenfleet über Kajen bis zu den Landungsbrücken auszubauen. Die Deichstraße sollte die beiden parallelen Verkehrsadern verbinden und dafür auf 20 Meter verbreitet werden. Die Häuser an der Landseite sollten abgerissen werden.

 Die Ost-West-Straße wurde schon 1963 fertiggestellt. Nach dem Abriss einiger Häuser zugunsten eines Neubaus der Landeszentralbank verlangsamten sich die weiteren Arbeiten dagegen fast bis zum Stillstand. Erst Ende der 60er Jahre plante ein Grundeigentümer, für einen Büroneubau vier Häuser der Deichstraße abreißen zu lassen. Doch zwei der Häuser standen unter Denkmalschutz. Er beantragte die Streichung der Gebäude von der Denkmalschutzliste. Dieser Antrag löste einen Prozess aus, der zur Rettung der gesamten Straße führte.

 Denn inzwischen hatte sich die öffentliche Meinung geändert. Es wurden zunehmend Stimmen laut, die dafür plädierten, die Zeugnisse der Vergangenheit nicht einfach zu vernichten. Die Journalistin Gisela Schiefler und der Architekt Gerhard Hirschfeld kämpften lange, um ein altes Stück Hamburg zu erhalten. Gisela Schiefler hielt vor dem Städtebauseminar der Fachhochschule einen Vortrag über den Zustand der Häuser. Sie präsentierte erste Visionen zur Nutzung und die Vorteile für Hamburg, wenn es gelänge, diese Straße zu retten. Schützenhilfe gab es vom Hamburger Abendblatt. Redakteur Ferdinand Gatermann forderte die Leser auf, ihre Vorstellungen und Wünsche mit einzubringen, um die alten Häuser wieder mit Leben zu füllen.

 Am 13. April 1972 unterzeichneten die Nachkriegsbürgermeister Max Brauer, Paul Nevermann und Herbert Weichmann sowie der Präses der Handelskammer, Herbert Westerich, der Präsident der Handwerkskammer (Edmund Helbig) und der Präsident der Architektenkammer (Jürgen Marlow) sowie der Präses der Hamburgischen Bürgervereine, Hans Iska-Holtz, den Gründungsaufruf für einen Verein, der die an der Deichstraße noch erhaltenen Häuser zu sichern und zu erhalten. Darüber hinaus beteiligten sich an dem Projekt der langjährige Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft Hans Saalfeld (SPD), der spätere Senator und Ehrenvorsitzende der Hamburger FDP Peter-Heinz Müller-Link und Dr. Jürgen Westphal von der CDU.

 Mit der Gründung des Vereins war es natürlich noch nicht getan. Der Erste Vorsitzende Dr. Hans Harder, pensionierter Präsident des Rechnungshofes, und seine Mitstreiter Gisela Schiefler, Günther Schönsee, Gerhard Hirschfeld, Helmut Alter und Olaf Lassker machten sich ans Werk. Als erstes trat man an die Landeszentralbank heran, um bei dem Neubau noch zu retten, was zu retten war. So wurde die Bauhöhe auf vier statt der fünf geplanten Geschosse beschränkt und die Banker stimmten zu, im Erdgeschoss vier Ladengeschäfte einzuplanen. Die Bank finanzierte eine Fußgängerbrücke von der Innenstadt zur Deichstraße, damit diese nicht mehr so abgeschnitten von dem pulsierenden City-Leben war.

Trotz dieser Kompromisse blieb ein deutlich sichtbarer Bruch zwischen dem Neubau am Straßenanfang und den folgenden alten Gebäuden. Georg Ernst schuf auf dieser Schnittstelle einen Brunnen in Form von Schiffsmotorzylindern, der die Verbindung von Deichstraße und Hafen symbolisieren sollte.

 Ein weiteres Problem war, dass der Verein an Geld kommen musste, um seine Ziele verfolgen zu können. Die Filiale der Vereins- und Westbank in der Deichstraße unterstützte die Initiative mit der Prägung von „Deichstraßentalern“, die man für 70 Mark (in Gold) oder 30 Mark (in Silber) erwerben konnte. Der Leiter dieser Filiale war der erste Schatzmeister des Vereins. Die Taler verkauften sich gut und füllten nicht nur die Kassen, sondern lenkten auch jede Menge Aufmerksamkeit auf die Initiative. Einmal im Jahr fand eine Straßenlotterie statt, bei der Prominente wie Helga Feddersen halfen, Lose zu verkaufen, Künstler und die Trachtengruppe des Vereins geborener Hamburger auftraten. Die Künstler Wolfgang Götze und Heinar Schilling verkauften ihre Bilder zugunsten des Vereins. Der Uhrzeiger der Michaelis-Kirche wurde für fast 10000 Euro versteigert. Die Initiative stand scheinbar unter guten Sternen.

 Doch nun begann die Baubehörde mit den Voruntersuchungen zur Aufstellung der Deichstraße als „Sanierungsgebiet“. Dazu wurden Daten über den Zustand der Gebäude, die soziale Struktur der Bewohner, die wirtschaftliche Situation der Gegend und die Zahl der Beschäftigten gesammelt. Die Ergebnisse waren erschütternd: Das gesamte Gebiet litt unter akutem Investitionsmangel; Gebäude und Wohnungen waren meist stark vernachlässigt. Es gab nur wenige finanzstarke Unternehmen. Die Deichstraße galt als unattraktiver Standort, da sie durch die Ost-West-Straße abgeschnitten von der City war. Die wenigen Bewohner der Deichstraße waren überwiegend sozial schwach. 73 Prozent der Wohnungen besaßen kein Bad und wurden mit Öfen beheizt. 32 Prozent hatten nicht einmal ein eigenes Klosett. Es mangelte an Einkaufsmöglichkeiten und Kneipen oder Restaurants.

 Um dies zu ändern, arbeiteten die Baubehörde und der Beirat „Deichstraße“ (Vertreter der Baudeputation, der Bezirksversammlung Mitte, der Grundeigentümer, der Mieter und des Deichstraßenvereins) eng mit einem Ausschuss von Betroffenen zusammen, in dem Mitglieder des Stadtneuerungsamtes, mehrere Architekten und die Grundeigentümer saßen. Der Vorsitz des Deichstraßenvereins war 1974 auf den ehemaligen Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Johannes Birckholtz, übergegangen. Die vorliegenden Gutachten der Deichstraße wurden sorgfältig ausgewertet. 1974 lag ein neuer Bebauungs- bzw. sanierungsplan vor und erste Gelder kamen aus Investitions- und Konjunkturprogrammen.

 Dann stand das Haus Nr. 37 zum Verkauf. Nach einigem Hin und Her gelang es dem Verein „Rettet die Deichstraße“, das Haus zu kaufen. Es wurde gesichert und restauriert.

 1977 wurde die Deichstraße durch den Bezirk förmlich als Sanierungsgebiet anerkannt. Weitere Häuser wurden unter Denkmalschutz gestellt, was bedeutete, dass Haussanierungen und alle begleitenden Maßnahmen durch die Stadt finanziert werden konnten. Die Deichstraße wurde in eine Einbahnstraße umgewandelt. Der untere schmale Teil mit den historischen Gebäuden ist nur noch für Fußgänger und Lieferverkehr offen. Kopfsteinpflaster ersetzte die Asphaltdecke und die Straßenlaternen wurden von Wandleuchten in einer historischen Drachenform abgelöst. So sahen die Straßen aus wie einst.

 Die Fleetseite machte noch Probleme. Sie lag weiterhin abseits des Interesses, weil niemand ihre attraktiven Fassaden und die Lastenkräne in den verzierten Giebeln sehen konnte. Auf der anderen Seite des Fleetes lag der Cremon, dem es genauso ging. Auch hier wurde gerade restauriert. Die Idee einer„historischen Milieuinsel“ begann Gestalt anzunehmen. Es wurde schnell eine Lösung für die Fleetseite gefunden: Begehbare Pontons wurden an der Wasserseite befestigt, die man über Fleetgänge erreichen kann. Dazu haben die Alsterdampfer eine Anlegestelle am Fleet bekommen.

 Seit 1977 ist der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Francke der Erste Vorsitzende des Vereins „Rettet die Deichstraße e.V.“. Der Vorstand wurde um den früheren Bauamtsleiter von Wandsbek, Roland Hartmann, erweitert. Die Aktionen des Vereins wirken ansteckend. Andere Eigentümer begannen nun ebenfalls, ihre Häuser zu sanieren und  restaurieren.

 Für seine Arbeit erhielt der Verein mehrfachen Lohn. So nahm Klaus Francke zusammen mit Gisela Schiefler und Gerhard Hirschfeld in Lübeck die silberne Halbkugel des Deutschen Komitees für Denkmalschutz entgegen. 1985 wurde der Deichstraße der Deutsche Städtebaupreis der Bank für Gemeinschaft verliehen. Insbesondere der Neubau des Hauses Nr. 35 wurde von der Jury als vorbildlich erwähnt.

 Inzwischen sind mehr als 25 Jahre engagierter Arbeit des Vereins vorüber und noch immer bemühen sich 130 Mitglieder die Deichstraße am Leben zu erhalten und mit neuem Leben zu füllen. Trotz dieser Erfolge konnten in den vergangenen 25 Jahren nicht alle Probleme gelöst werden. Die Ost-West-Straße schneidet nach wie vor die Deichstraße von einer Menge potentieller Besucher ab.

 Für den Vorstand des Vereins „Rettet die Deichstraße e.V.“, dem zurzeit Klaus Francke (MdB a.D.), Senator a.D., Horst Gobrecht, Roland Hartmann, Gerhard Hirschfeld, Paul P. Juul, Prof. Dr. Franklin Kopitzsch und Dr. Martin Schau angehören, gibt es also noch viel zu tun. Denn die Deichstrasse ist jede Anstrengung wert.

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